Langsamer, ruhiger, einfacher statt schneller, höher, besser

Unsere neue Realität und wie Corona unser Leben verändert. Zum besseren? Wir werden sehen. Ich schätze es sehr, dass alles langsamer, einfacher und ruhiger ist.

Vor Corona war das Erfüllen von individuellen Bedürfnissen im Aussen wohl das oberste Ziel der westlichen Gesellschaften. Es ging darum immer mehr, immer besser, immer schneller. Und jetzt stellen doch manche fest, es geht auch ohne. Zeigt uns Corona, was wirklich wichtig ist im Leben? Ist das das Ziel dieses Ausbremsens? Meine Gedanken zu den Auswirkungen von COVID 19.

Gestern habe ich meine Lieblingsserie Grey’s Anatomy geschaut, die sich gerade mit der ganzen Corona-Pandemie befasst. Dass das Thema in einer aktuellen Staffel einer Serie schon aufgenommen wird, finde ich ganz toll. Man sieht, wie die Ärzte um das Überleben der Covid-Patienten kämpfen und wie oft sie diesen Kampf verlieren. Gestern wurde eine Liste mit Namen, symbolisch für all die Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, im Abspann gezeigt. In der Folge verlor denn auch eine Ärztin ihre Mutter und um das Leben einer Ärztin wird gekämpft. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Hat Corona uns die Endlichkeit des Lebens wieder aufgezeigt? Alles was uns vor Corona als selbstverständlich erschien, ist es irgendwie jetzt nicht mehr. Früher war alles höher, grösser, schneller, besser. Heute fühle ich mich eher langsamer, ruhiger, einfacher, bescheidener. Und das tut mir so wahnsinnig gut. Dankbarkeit wird bei mir ja nicht nur seit Corona grossgeschrieben, aber jetzt hat Dankbarkeit nochmals eine andere Bedeutung erhalten. Heute bin ich bewusst dankbarer. Dankbar sein für die Gesundheit, dankbar sein für das Daheim, dankbar sein für die Familie, die Tochter, die Partnerschaft, dankbar sein für den Job oder einfach die Natur, das Essen auf dem Tisch oder die Begegnungen mit Menschen.

Corona ist seit mehr als einem Jahr das Dauerthema. Tägliche Updates zu Positivitätszahlen, Inzidenz-Werte, Todesfälle, R-Wert und einschränkenden Massnahmen. Während man zu Beginn noch alle Medienkonferenzen mitgeschaut hat, daraus die interne Krisenkommunikation abgeleitet und wöchentliche Updates kommuniziert, kann man es heute kaum mehr hören. Wir sind es müde. Corona-Müde. Und doch Corona und das ganze Drumherum sind zum Alltag geworden. Corona ist einfach nicht mehr wegzudenken. Corona ist so sehr Alltag, dass wenn man etwas macht, was man früher normalerweise gemacht hat, plötzlich etwas Spezielles wird. Und dass man auch irgendwie langsam vergisst, wie es früher war, weil der neue Alltag zur Realität geworden ist. So sehr der Alltag, dass man sich riesig über ein Apéro draussen auf der Terrasse freut oder das feine Znacht in einem Gartenrestaurant. So sehr Alltag, dass man mega nervös ist, wenn man über die Landesgrenze fährt und richtig Reisefieber kriegt. Etwas, das früher ja gar nicht Thema war.

Unsere neue Realität – Online Shopping

Ich war letzte Woche im Einkaufszentrum, gefühlt seit einer Ewigkeit das erste Mal. Und ich hab mich unwohl gefühlt. Ich bin nur so durchs Einkaufszentrum geflitzt und fühlte mich irgendwie gestresst. Das Online-Shopping ist die neue Realität.

Unsere neue Realität – weniger Kontakte

Die neue Realität ist auch, dass man nicht mehr so viele Leute trifft oder Einladungen gibt. Vor einiger Zeit hatte ich mal wieder so eine richtig schöne Einladung. Für Freunde zu kochen, war vor Corona etwas, was ich sehr gerne und oft gemacht hab. Jetzt ist die neue Realität, dass man nur noch die engsten und nächsten Freunde oder die Familie sieht. Und ich schon eine gefühlte Ewigkeit nichts grosses mehr organisiert habe. Ausgehen, sich verabreden und eingeladen werden oder Gäste bewirten, ist nicht mehr meine Realität. Das Zurückgezogen sein gehört zu meinem Alltag.

Unsere neue Realität – weniger Reisen

Die neue Realität ist auch, dass man eher zu Hause bleibt. Reisen ist nach wie vor schwierig oder mit grossem Aufwand verbunden. Diese Corona-Tests, die man überall braucht, die Selbstdeklarationsformulare, die dann doch niemand sehen will. Eventuell die Quarantäne bei der Ein- oder Rückreise. Alles wird kompliziert und man weiss ja auch nicht so recht, was einem dann unterwegs erwartet. Wie ist es, wenn man ins Ausland reist? Wie funktioniert es dort? Wie funktioniert dort die Bevölkerung? Und wird man überhaupt willkommen geheissen? Diese vielen Unsicherheitsfaktoren inkl. möglicher Quarantäne haben mich doch stark davon abgehalten grössere Reisen ins Ausland zu planen und auch jetzt plane ich nicht fix sondern immer mit dem Vorbehalt und der Option alles wieder absagen zu können. Fliegen kommt für mich zum Beispiel noch gar nicht in Frage. Unsere Kreuzfahrt war das grosse Reisehighlight und gleichzeitig eine riesige Herausforderung, bis wir endlich auf dem Schiff waren, inklusive riesige Vorfreude und Nervosität.

Unsere neue Realität – die täglichen Todeszahlen

Eine weitere neue Realität ist die tägliche Kommunikation der Todeszahlen. Wir werden täglich konfrontiert, wie endlich unser Leben ist. Und plötzlich ist es vorbei. Erschütternd. Unglaublich. Traurig und sehr tragisch. Dieser Umstand, dass Corona so viele Tote hervorbringt und Corona ein nicht zu unterschätzendes Virus ist, hilft uns unser Bewusstsein für das Leben zu schärfen. Zumindest ist das bei mir so. Mit Corona sind Achtsamkeit, Dankbarkeit und Selbstliebe noch bedeutender geworden. Wir haben Zeit unseren Fokus auf das Hier und Jetzt zu lenken. Über weite Strecken ist mir das bisher gut gelungen. Ich kann sagen, mein Leben hat sich insofern beruhigt, als dass einfach nicht mehr so viel läuft. Und weil nicht mehr so viel läuft, habe ich Energie für Neues. Energie mich mit Achtsamkeit, Dankbarkeit und Selbstliebe zu befassen und stetig daran zu arbeiten.

Corona hat unser Leben verändert.

Corona macht so vieles, es hat unsere gewohnten Lebensweisen und unseres Alltags verändert. Corona hat unser Leben verändert. Und je nach dem, hat Corona gezeigt, wie wertvoll das Leben ist. Wie endlich es ist und dass wir nur dieses eine Leben haben. Und auch wenn dies meine neue Realität ist, Corona mein Bewusstsein für mich geschärft hat, so bin ich überzeugt, dass in ein paar Monaten Corona vergessen ist. Das beunruhigt mich jetzt schon. Dann werde ich mich wahrscheinlich fragen, hat die Welt nichts gelernt!

Susan Diethelm

Susan Diethelm

„Mon petit bonheur“ – mein kleines Glück entdecke ich jeden Tag. Es sind die feinen, stillen, unerwarteten Dinge, die diese Gefühl hervorrufen. Kommt mit auf Entdeckungsreise.