Das «-Lassen» lernen

Gelassen werden – meine Gedanken und Tipps rund um das Thema des «-Lassens» vom Loslassen, über das Stehen lassen und Leben lassen.

«Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»

Reinhold Niebuhr, amerikanischer Theologe

Ich durfte speziell in den letzten Monaten lernen loszulassen – vom Perfektionismus, vom Gefallen, vom Sein, so wie es andere erwarten, von dem was weh tut, von Menschen, in denen ich mich getäuscht habe oder von Menschen, die mich getäuscht haben. Ich hab ein wahrlich schwieriges Jahr hinter mir. Es ist ja nicht so, dass ich im Laufe meines Lebens nicht gelernt habe anzunehmen und zu akzeptieren, dass ich gewisse Dinge nicht erzwingen kann. Aber im vergangenen Jahr war es besonders schwer. Ich habe gleichzeitig sehr viel gelernt und bin dankbar für diese Erfahrung. Fast schon befreiend war die Erkenntnis, dass ich vor der Veränderung keine Angst haben muss und auch nicht vor der Unsicherheit, die das Leben manchmal mit sich bringt. Ich durfte loslassen vom Klammern an einen Job, der mich so begeistert und eingenommen hat und trotzdem nicht gut für mich war. So habe ich vor einigen Monaten regelrecht Panik gekriegt, einmal planlos zu sein oder ohne klare berufliche Perspektive. Ich habe vor einigen Monaten die Krise geschoben, nicht genau zu wissen, wie ich mein Leben jetzt bestreiten soll. Und jetzt, bin ich entspannt. Ruhe in mir. Ich bin zufrieden und blicke hoffnungsvoll auf die Perspektiven und Möglichkeiten, die vor mir liegen.

Ich durfte in den letzten Monaten lernen loszulassen. Loslassen von Konventionen, loslassen des Perfektionismus, loslassen der gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen. Lernen, dass es einzig und allein darum geht, dass ich zufrieden und glücklich bin. Und dass Zufriedenheit und Glück an einem anderen Ort zu finden sind, als im täglichen Kampf mit dem Job, dem Vorgesetzten, der einem nicht versteht, dem Streit wegen irgendwelchen Kleinigkeiten, dem aus der Haut fahren, weils grad nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle und den daraus folgenden körperlichen Symptomen. Ich habe gelernt auf mich zu hören und nicht daran zu verzweifeln. Ich habe gelernt die Hoffnung nicht zu verlieren, denn irgendwie geht das Leben weiter und neue Möglichkeiten werden sich auftun, neue Perspektiven werden sich ergeben. Ich habe gelernt zu vertrauen, in mich und meine Ressourcen und bin dadurch milder geworden, nachsichtiger und ruhiger. Es braucht einfach Zeit und der richtige Zeitpunkt wird kommen.

Stehenlassen

Im Prozess des Loslassen durfte ich noch viel mehr lernen. Zum Beispiel das Stehenlassen. Stehenlassen der Ungerechtigkeit. Das Stehenlassen der Menschen, die man einfach nicht versteht und deren Verhalten man nicht nachvollziehen kann. Stehenlassen der anderen Denkweisen und Verhaltensmuster. Ich darf das Verhalten der anderen stehen lassen, ohne es zu bewerten. Sie tun es ja wahrscheinlich auch. Ich habe das zwar schon immer gekonnt, aber mir wurde bewusst, dass das Stehenlassen von anderen Denkweisen oder Verhaltensmustern viel mit Respekt zu tun hat. Respekt, den andere vielleicht nicht haben. Wir sind nicht alle gleich – und das ist auch gut so. Das sollte man respektieren. Und es ist manchmal besser, nicht weiter auf Konflikte oder schwierige Situationen zu reagieren. Keine Reaktion mit belehrenden, erklärenden oder vor allem rechtfertigenden Äusserungen. Ohne, dass ich mir mit Nachdruck Gehör verschaffen muss. Wichtig ist aber, dass man den Schmerz zulässt. Und manchmal ist es besser die Konsequenzen zu ziehen. Je früher, desto besser, denn wartet man zu und hofft weiter auf eine Verbesserung, Klärung oder Veränderung, wird man krank und verliert kostbare Zeit. Das hat meiner Meinung nach mit Gelassenheit zu tun.

Zurücklassen

Ich durfte auch lernen alles zurückzulassen, ohne Bitterkeit, ohne Groll oder Hass, vielleicht mit Wehmut und einer gewissen Traurigkeit. Ohne daran zu verzweifeln, weil ändern kann ich es eh nicht. Ich habe mein Bestes gegeben, mich eingesetzt, mich engagiert. Manchmal gibt es einfach Situationen, die kann man leider nicht ändern, ausser man tut sich selbst weh. Diese ständige Veränderung zulassen, das ist für die meisten Menschen eine Herausforderung. Denn Veränderung tut weh. Vor allem, wenn man zur Veränderung gezwungen wird. Wenn man das, was man tut, liebt und mit Begeisterung macht, aber aufgrund von widrigen Umständen, Ungerechtigkeiten oder mangelndem Führungsverständnis, nicht weiter machen darf. Ich liebe – wie wohl jeder – eine gewisse Sicherheit und Routine, vor allem, wenn der Job Spass macht, die Projekte spannend sind und man mit vielen tollen Menschen zusammenarbeiten darf. Wenn man dann aber gezwungen wird, sich auf eine Veränderung einzulassen und geliebtes zurückzulassen, dann ist es besonders schwer damit umzugehen. Das zu akzeptieren. Dies gilt natürlich nicht nur im Job, nein es passt auf jede Situation beruflich wie privat.

Die Reaktion lassen

Dies ist wohl der schwierigste Punkt, nämlich alles gelassen hinzunehmen. Geschehen lassen, Gehen lassen, Zulassen, Stehen lassen, Leben lassen. Schlicht die Reaktion darauf lassen. Gelassen sein. Lernen in sich zu ruhen, ohne rumzupoltern, ohne auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen oder zu versuchen, dem anderen zu erklären, dass er so gar keinen Plan hat und völlig falsch liegt. Manchmal ist es einfach besser, keine Reaktion darauf zu zeigen und nur seines Weges zu gehen. Es wird kommen, wie es muss. Und jeder wird früher oder später, das bekommen, was er verdient. Nur Geduld.

Gelassenheit lernen

Ich bin überzeugt und aus eigener Erfahrung weiss ich, dass man bisherige Verhaltensmuster ablegen und lernen kann, gelassener zu werden. Selbst, wenn man bisher immer emotional reagiert hat und innert Sekunden an die Decke gehen konnte, so kann man diese Impulse in den Griff bekommen und lernen entspannt und gelassen zu bleiben. Die menschliche Seite sollte allerdings dabei nicht vergessen gehen. So gehört es zum Charakter einer jeden Person, dass sie individuell reagiert. Und zu viel Gelassenheit oder sogar Beherrschtheit finde ich auch nicht erstrebenswert. Wenn einem nichts erschüttern, berühren oder aus der Ruhe bringen kann, dann fehlt dieser Person jegliches Gespür.

Was macht ein gelassener Mensch aus?

Es gibt sie die gelassenen Menschen, die gefühlt nichts aus der Ruhe bringt und so souverän wirken. So wäre man doch manchmal selber gerne, oder? Gelassene Menschen können Dinge hinnehmen, auf die sie keinen Einfluss haben. Sie unterscheiden also vom Circle of Concern ,den sie nicht beeinflussen können oder nur mit grossem Aufwand und vom Circle of Influence, dem Bereich, den sie beeinflussen können. Sie versuchen sich nicht über Kleinigkeiten aufzuregen, da dabei zu viel Energie verpufft. Sie lassen ungerade mal ungerade sein. Sie bleiben ruhig und verlieren nicht gleich die Fassung, wenn es mal nicht nach Plan läuft. Probleme sehen sie als Chance. Sie versuchen besonnen zu reagieren und schnell klare Gedanken zu fassen. Sie gehen liebevoll und wertschätzend mit sich selbst um. Sie sind geduldig. Und sie schaffen es Dinge nicht gleich persönlich zu nehmen. Dadurch strahlen sie eine gewisse Ruhe und eben gleichzeitig auch Überlegenheit aus.

Das «-Lassen» kann man lernen

Ich bin aus eigener Erfahrung daher sicher, dass man das «-Lassen» lernen kann. In dem man seinen Fokus auf das Positive lenkt, die kleinen Erfolgserlebnisse, die Dinge, die einem glücklich machen, die Dinge oder Menschen, die einem gut tun. In dem man Dinge tut, die einem stärken, Routinen entwickelt, die einem glücklich machen. In dem man gut für sich sorgt. Achtsam ist und inne hält. Ohne gleich alles wieder im Kampf an sich zu reissen, zu erzwingen und so zu biegen, dass es im Aussen gut aussieht. Ich sorge gut für mich. Zum Beispiel bewege ich mich täglich auf meinen Spaziergängen, schreibe in mein Bullet-Journal täglich drei positive Dinge, übe mich in Wertschätzung mit mir und anderen. Spreche konstruktive Feedbacks aus. Versuche nicht alles persönlich zu nehmen und reagiere entsprechend nicht oder nicht sofort und wenn, dann mit einer gewissen Distanz, ohne gleich reinzuschiessen. Gelassenheit zeigt sich bei mir auch, dass ich mit dem zufrieden bin, was ich habe.

Das «-lassen» kann man auch lernen, in dem man den Fokus auf seine Ressourcen lenkt und darauf, was man gut kann und seine Zeit mit Menschen verbringt, die einem gut tun und das Netzwerk gezielt pflegt. Bei mir sind Ressourcen sicher auch, das Schreiben und Kommunizieren. Das Ideen spinnen und Gedanken zu Papier bringen. Am wichtigsten scheint mir aber in der jetzigen Situation, dass ich nichts erzwinge, dass ich mir die Zeit nehme, um herauszufinden, was ich tun möchte. Dass ich meine Ressourcen stärke und so meine positive Grundeinstellung, meine persönliche Zufriedenheit und Dankbarkeit trainiere und pflege. Alles hat seine Zeit und das Beste kommt jetzt.

Darum verzeihe ich den Törichten und lasse los, lasse die zurück, die ich so gerne mochte und lasse mich auf Neues ein, lerne die Veränderung positiv zu sehen. Und freue mich über all das, was auf mich zukommt. Ich bin jetzt gelassen und voller Zuversicht und Hoffnung, dass alles gut wird.

Tipps, um das «-Lassen» zu lernen

Eine aktuelle Situation akzeptieren und loslassen

Wenn man, wenns nicht so läuft, die Situation akzeptiert, anstatt etwas zu erzwingen, ist das der erste Schritt Richtung mehr Gelassenheit.

Sich in Dankbarkeit üben

Wenn man den Blick bewusst auf das Schöne und Gute richtet, auf alles, was man im Leben bereits hat, dann wird man zufriedener und gleichzeitig dankbarer. Dankbarkeit führt zu mehr Gelassenheit und Ruhe. Wenn man zufriedener ist, mit dem was man hat, dann braucht man nicht mehr nachzustreben und ruht mehr in sich. Dankbarkeit kann man trainieren, in dem man z.B. täglich drei Dinge aufschreibt, wofür man dankbar ist: den Spaziergang im Wald, den Schwatz mit der Nachbarin, das gemütliche Abendessen mit der Familie.

Trainiert man die Dankbarkeit, erfreut sich an den kleinen Dingen, dann kann man den Stress reduzieren und gelassener werden.

Nachsichtig und freundlich mit sich und anderen

Wenn man mit sich und mit anderen freundlich und respektvoll ist, andere akzeptiert wie sie sind und gut mit sich selbst ist, dann ist das auch ein Schritt für mehr Gelassenheit. Wer milde ist, muss nicht immer über andere richten oder sich selbst streng behandeln. Sondern kann sich und andere so sein lassen, wie sie sind.

Gedanken lenken lernen

Ein wichtiger Tipp nicht nur in Bezug auf das Gelassener werden, ist, wenn man seine Gedanken lenkt und Reaktionsmuster kennt und diese gezielt steuert.

Wie kann man Gedanken lenken lernen?

• Erkenne die Reaktionsmuster, die hauptsächlich als Impuls aus Triggerpunkten ausgelöst werden.
• Versuche kurz Luft zu holen oder innezuhalten.
• Stelle dir folgende Fragen: Ist dieser Gedanke wahr? Denken alle anderen genauso darüber? Habe ich auf das, worüber ich nachdenke, Einfluss? Ist dieser Gedanke für mich hilfreich? Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?
• Baue Achtsamkeit und Ruhe in den Alltag ein.

Schneller, höher, weiter – so ist das Leben gefühlt. Daher ist es wichtig, Momente der Ruhe und Achtsamkeit im Alltag einzubauen. Dies können tägliche Spaziergänge sein in der Natur, Yoga-Übungen, einige Minuten die Lieblingsmusik, die Kaffeepause, die man bewusst geniesst oder die allabendliche Kuschel-Stunde mit der Tochter.  

Das «-Lassen» lohnt sich – ein Fazit

Wenn man das «-Lassen» lernt, dann wird das Leben entspannter. Davon bin ich überzeugt und spüre es gerade stark. Wenn man loslässt oder gelassener wird, dann wird das Vertrauen in sich und das Leben gestärkt und man hat mehr Hoffnung. Ist grundsätzlich zuversichtlicher. Man ist entspannter, wenn man gut für sich sorgt und die Tools für die persönliche Stärkung täglich nutzt. Durch die Gelassenheit und der gestiegenen Entspannung können auch Entscheidungen klarer getroffen werden oder es braucht nicht immer gleich eine Reaktion auf etwas. Gelassenheit hilft auch, nicht alles persönlich zu nehmen. Wenn man in sich ruht, kann einem niemand verunsichern oder vor den Kopf stossen. Alles in allem, mit mehr Gelassenheit ist man in der Lage, das Leben mehr zu geniessen und positiver zu sehen.

Susan Diethelm

Susan Diethelm

„Mon petit bonheur“ – mein kleines Glück entdecke ich jeden Tag. Es sind die feinen, stillen, unerwarteten Dinge, die diese Gefühl hervorrufen. Kommt mit auf Entdeckungsreise.